Eine Explosion zerreißt die Stille der Berge. Es braucht Minuten, bis die Geräusche des Dschungels ihre alte Lautstärke zurückgewonnen haben. Beißender Rauch zieht durch die Baumgipfel, in einer Grube brennt sich Phospor durch den laotischen Boden. Zufrieden lächelt Phonam am anderen Ende der 40 Meter langen Zündschnur. Er hat den Fernzünder noch in der Hand. Anerkennend nickt man ihm zu. Die Ausbeute ist nicht spektakulär, aber heute waren zwei scharfe Bomben im Sprengkrater, da ist die Zeit entscheidend, nicht die Menge.
Wir befinden uns auf einem stillgelegten Flughafen in Lambak, einer nördlichen Provinz von Luang Prabang. Diese Landebahn haben die Amerikaner genutzt, um Bomben zu laden, um damit die Spuren des Kommunismus in Laos flächendeckend zu bombardieren.
Laos liegt versteckt und eingeklemmt zwischen China, Vietnam, Myanmar, Kambodscha und Thailand. Immer war Laos ein Spielball im Geränke anderer Interessen. Erst waren es die Nachbarn, die ewig begehrlich dem Königreich seine Schätze raubten. Dann kamen die Franzosen, versprachen die Verteidigung gegen Siam, das heutige Thailand und nahmen Laos die Luft der Freiheit. Gegen Japan gab es keinen Schutz und erst Ho Chi Minh, Gründer der Pathet-Lao Partei, kämpfte in Vietnam mit seinen laotischen Verbündeten die Franzosen aus dem Land. Doch dieses Indochina zu verstehen, bedeutet vor der eigenen Haustür zu kehren, einen Blick auf die europäischen Interessen zu werfen.
Frankreich hatte große Pläne. Erst anektierten sie 1883 Vietnam, dann ein Jahr später Kambodscha. Laos, anfänglich unbeachtet, rückte plötzlich in den Mittelpunkt. Denn als die Briten im Wettlauf der Kolonialmächte auf dem Weg nach Südchina den Mekong entdeckten und in ihm den Schlüssel der Vormachtstellung sahen, musste Frankreich reagieren und nahm Laos kurzerhand mit in die Kolonie Französisch-Indochina. Laos galt als Puffer. Das blieb es bis 1941. Die Rolle Frankreichs in Indochina ist mehr als umstritten. Doch feiern sich die Franzosen noch heute gerne als die Retter von Laos, die dieses Land vor der Siamisierung bewahrt hat. Ihre Seeblockade gegen die Hauptstadt Siams und die anschließenden Verträge brachten den heutigen Grenzverlauf. Verlorengegangen ist dabei der große bevölkerungsintensive Teil östlich des Mekongs. Das kann Laos bis heute nicht vergessen.
Millimeter für Millimeter in die Breite und in die Tiefe gehen die Bombensucher durch den Boden auf dem Landefeld in den Bergen Nordlaos. Sie wollen dieses Gelände wieder für die zivile Nutzung brauchbar machen. Dabei werden sie unterstützt und kontrolliert von Deutschen.
Zwei frühere NVA-Offiziere gehen nochmals vorsichtig an den Rand des Bombenkraters. Die Phosphorreste sind das einzige, was übrig blieb von 14 Bomben, die sie soeben gesprengt haben. Die Männer aus Deutschland-Ost sind zufrieden. Bomben finden, entschärfen und sprengen ist ihre tägliche Arbeit hier in der kleinen Provinzstadt Lambak im Norden von Laos. Das Bürohaus in der Kreisstadt teilen sie sich mit einer jungen laotischen Familie. Auf dem Parkplatz, gut sichtbar von der Kreisstraße stehen große Fundstücke ihrer Arbeit. Innen ist ein Schulungsraum mit realem Anschauungsmaterial und im Tresor des Büros liegt der Sprengstoff.
Sie arbeiten im Auftrag des Auswärtigen Amtes im Projekt UXO der UN.
UXO heißt „unexploded ordments“ und damit sind die Blindgänger des Geheimen Krieges der Amerikaner gegen Laos gemeint. Über 3 Millionen Tonnen Bomben warfen sie auf dieses kleine Land ab, ohne ihm jemals den Krieg zu erklären.
Viele Bomben sind bis heute nicht explodiert. Sie liegen als Zeitbomben im Boden, und jede Veränderung ihrer Lage, oft nur die Berührung, bringt sie zur Explosion.
Frühmorgens um 5:00 Uhr sind wir aus Luang Prabang gekommen. Auf der Ladefläche liegen die Mitarbeiter, die ihre Freundinnen besucht haben. Es ist frisch. Stockdunkle Nacht ist es noch, reflektierende Randstreifen sind hier unbekannt. Der Fahrer kennt die Strecke wie im Schlaf, doch die zwei plötzlich auftauchenden Rinder waren gestern noch nicht da. Das ging noch einmal gut. Vorsichtig tastet sich das Tageslicht über diesen Fleck der Erde. Kinder am Straßenrand gehen zur Schule. Ihr Weg dauert manchmal Stunden.
Hier geht es heute in erster Linie um Qualitätskontrolle, denn geräumt wird von Laotinnen und Laoten und deren Vorgesetzte sind ebenfalls aus Laos, das ist Prinzip der deutschen Hilfe.
Von den 3 Millionen Bomben, das sind mehr, als im 2. Weltkrieg in Europa gefallen sind, liegen über 20% als Blindgänger im Boden. 10% sind bereits vom Hersteller einkalkuliert, das ist das Minimum an klassischen Versagern, laut Produktbeschreibung.
Die deutschen Männer sind Bombenexperte. Sie werden geholt, sobald ein Blindgänger gefunden ist.
„ Kenntnis ist der einzige Schutz bei dieser Arbeit“, sagt er, „ da muss man schon wissen, ob es sich bei einer Splitterbombe des Typs Frag 260 um eine Bombe mit dem Zünder M103 oder mit dem Zünder M112 handelt. Die M112 hat nämlich eine vorgespannte Schlagbolzenfeder, da ist jeder Entschärfungsversuch tödlich. Solche Bomben sprengen wir direkt am Fundort. Die Laoten können das nicht unterscheiden und deswegen sind wir hier.“
Letztes Jahr haben sie hier im Norden von Laos angefangen. Private Spenden und staatliche Mittel mussten akquiriert werden, um diese Projekte mittelfristig in Bewegung zu bringen und langfristig zu halten.
Ein großer Vorteil sind dabei die etwa 2500 Laoten, die damals im sozialistischen Bruderland DDR studiert haben. Das ist ein großes Potential an Mitarbeitern, die noch getragen sind von Sympathien und Freundschaften. Das politische Kalkül der sozialistischen Staatsregierung DDR ist hierbei nebensächlich. Geblieben ist eine tiefe Freundschaft zu Deutschland.
Das UXO-Projekt ist ein Gemeinschaftsprojekt der UNO mit Beteiligung der Japaner, Australier und Deutschen. Lange Zeit beschränkte sich die deutsche Aufbauhilfe in Laos auf die Renaturierung von Palmschriften. Mit Unterstützung der GEZ konnte ein deutscher Professor an die laotische Universität nach Vientiane vermittelt werden. Sein Fach ist Laotisch.
UXO, das sind weiße Autos mit einer blauen UN-Fahne, hätte ich gesagt, wenn ich nicht Sonsay getroffen hätte. Er hat drei Jahre in Halle studiert. Heute ist er die rechte Hand des Leiters und Koordinators der deutschen UXO-Aktivitäten. Ich treffe die Gruppe in einem Restaurant in einer der idyllischen Seitenstraßen von Luang Prabang. Lange sitze ich und beobachte die kleine Gruppe, die hier regelmäßig so selbstbewusst mit ihrem vierradangetrieben Jeep der oberen Preiskategorie vorfährt. Sie haben eine Fahne am Heck und zeigen damit ihren offiziellen Status. Außerdem schützt er vor nächtlichen Unannehmlichkeiten bei Überlandfahrten. Manivanh heißt die hübsche Laotin, die in perfektem Deutsch die Runde moderiert. Ein weiteres Fahrzeug der offiziellen UN-Flotte hält dicht bei den Bombenräumern. Es ist das Außenministerium höchstpersönlich, das ohne Anmeldung hier erscheint. Evaluation nennt man auch hier die regelmäßige Qualitäts- und Sinnkontrolle der Aktivitäten auf Kosten des deutschen Steuerzahlers. So schafft man sich Arbeitsplätze. Sichtlich angespannt hat sich die lockere Lage durch die Anwesenheit dieser drei offiziellen Herren. Höflich werden sie nach dem Essen verabschiedet, die freizeitliche Stimmung kehrt zurück, wir kommen ins Gespräch.
300 ha Land wurden bisher von der Firma in Laos geräumt, das sind 27.000 Stück Munition. Auf dem geräumten Land ist inzwischen wieder Mais angebaut und das ist eine Ernte von 2000 Tonnen lebenswichtiger Nahrung..
Auf dem Räumfeld in Lambak arbeiten Frauen und Männer. Sie tragen einen Splitterschutz vor ihrem Gesicht, Bleiwesten bis über die Oberschenkel und verstärkte Handschuhe gegen Verletzungen beim Graben. Der kleine Eimer neben Kievang ist halbgefüllt. Sie ist von Anfang an dabei. Kievang kommt aus Lambak, ist hier groß geworden, zur Schule gegangen. Es war ihr Traum, bei den Bombenräumern zu arbeiten. Ihr Onkel ist der Schmied des Dorfes. Sein Amboss war ursprünglich eine Granate und seine Einzäunung besteht aus Raketenhülsen. Das Haus steht auf halben Trägerraketen. Alles, was aus Eisen ist, kam bei ihm zusammen. Zu ihm haben die Männer gleich Kontakt aufgenommen. Heute ist man sich sicher, dass keine scharfe Munition mehr bei ihm lagert. Das war vor einem Jahr noch anders.
Es befindet sich in den über das ganze Gelände verteilten kleinen grauen Eimern keine Munition, sondern Eisenteile, fast aus der gesamten eisenhaltigen Menschheitsgeschichte. Denn die Räumsonden zeigen jedes Eisenteil an, gleichgültig, ob es ein Hufnagel ist oder eine sechs Zentnerbombe. Das Geräusch des Warntons ist immer das gleiche. Kievang hat sich ihr Feld in meterbreite Streifen eingeteilt, die sie zu großen Teilen auf dem Bauch liegend absucht.
Die Räumer haben zwei Räumsonden zur Verfügung. Die eine arbeitet bis 50 Zentimeter zuverlässig. Das bedeutet bei jedem Piepton die Möglichkeit, bis zu einem halben Meter tief graben zu müssen. Das ist die Tiefe, die beim Pflügen benötigt wird. Bei normaler landwirtschaftlicher Nutzung ist das ausreichend. Ackerland muss nicht über 50 Zentimeter geräumt werden, das wäre sonst zu aufwendig und kostenintensiv. Notwendig wird es beim Bau von Straßen oder wenn Wasserteiche angelegt werden müssen.
Nach einer Stunde ist auf dem Gelände Schichtwechsel. Die Konzentration, Bomben zu finden, lässt nach einer Stunde nach. Am Flugfeldrand stehen die Firmenfahrzeuge. Ein Rettungsfahrzeug, ein Bombentransportfahrzeug und ein Versorgungsfahrzeug. Das Brennholz für das Feuer fällt beim Schlagen des Unterholzes ab. Alles was hier nicht verbraucht wird, können die Mitarbeiter für private Zwecke mit nach Hause nehmen, denn Holz ist rar. Der großflächige tropische Holzeinschlag und das anschließende Verschieben über die thailändische und vietnamesische Grenze läuft inoffiziell, bringt Devisen und erhält die Freundschaft zum beschützenden Großen Bruder Vietnam.
Die Arbeit hier in Lambak hält alle in Atem. Ein Mitarbeiter kommt und erzählt von zwei Bombenfunden am Fluss. Ein Fischer hat ihm die Bomben gezeigt. Sofort fahren sie hin. Tief ausgefahren sind die Zufahrtstraßen. Nur mit einer heftigen Schräglage in der Steilkurve der Böschung kann diese Strecke gemeistert werden. Unten am Fluss waschen ein paar Frauen die Wäsche der Familie. Andere versuchen ein paar Flusskrebse zu fangen. Die Kinder baden und spielen ausgelassen im Wasser. Ein idyllisches Bild an einem Fluss irgendwo im Norden von Laos.
Der UXO-Pickup sucht sich seine Spur durch das tiefe Flussbett. Teilweise versinken die Autos bis zur Ladefläche, da die Spur durch den Fluss von gestern, heute nicht mehr gilt. Die Strömung des Wassers verändert das Wegerecht ständig. Der Mitarbeiter springt von der Ladefläche und finden unter einem Strauch zwei Bomben. Eine davon hat noch einen Zünder, aber beide sind mit einer bäuerlichen Hanfschnur verbunden. Das sind Netzbeschwerer oder Anker. Häufig weiß die Bevölkerung gar nicht um die Gefährlichkeit der Bomben. Manchmal werden die Bomben auch einfach an den Wegrand gelegt, damit sie beim Rückweg vom UXO-Fahrer entdeckt werden.
Vorsichtig hebt die Männer die Bomben aus dem Gebüsch. Der Mitarbeiter hat bereits zwei Sandsäcke gefüllt und sie auf die Ladefläche gelegt. Bei der einen Bombe ist nicht ganz klar, was für einen Zünder sie hat, und vor allem, in welchem Zustand sich der Zünder befindet.
So können Bomben sehr unglücklich eingeschlagen sein, so dass schon eine Berührung zur Explosion führt. Es kann aber auch sein, dass Bomben jahrelang als Anker gedient haben und dann plötzlich durch einen ungünstigen Aufprall reaktiviert werden. Bei einer der Bomben besteht keine Gefahr, da der gesamte Zünderbereich abgerissen wurde. Extrem gefährlich sind die Splitterbomben. Sie haben einen Splittermantel mit aufgetriebenem Stahlgürtel von 25,6 mm. Die Sollbruchstellen sind es, die jedes Teil zum Geschoss machen. Diese Bomben wurden gerne von den Amerikanern eingesetzt.
Ganz gemeine Bomben sind auch die Fadenbomben, die als sogenannter Bombie-Regen niedergehen. Blu 24, 26, 42 oder 43 sind die fachmännischen Bezeichnungen. Die Blu 42 ist eine Fadenmine, die aus großer Höhe durch eine Trägerbombe abgeworfen wird und sich im freien Fall schärft. Dann legt sie sich flächendeckend ins Gelände, nachdem sie ihre 4 Meter langen spinnenartigen Fäden ausgestreckt hat. Jede Berührung ist tödlich.
Was hat die Amerikaner dazu gebracht, dieses kleine Land so mit Bomben zuzuschütten? Begonnen hat alles schon etwas früher, mit der Schlacht bei Dien Bien Phu im ersten Indochinakrieg. Mit Hilfe einiger laotischer Bergvölker konnten die kommunistischen Vietnamesen unter Ho Chi Minh die Dschungelfestung der Franzosen einnehmen. Zusätzlich verhinderten die Khas, ein Volk aus den Niederungen des Mekong, den Nachschub der Franzosen von Luang Prabang. Diese erfolgreichen Aktivitäten gegen diesen übermächtigen Gegner etablierte die Pathet Lao, die Partei der Kommunisten. In den Genfer Verhandlungen 1954 als staatstragend anerkannt, wurden ihnen zwei Provinzen im Norden als Sammlungsräume ihrer bewaffneten Kräfte zugewiesen. Ein folgenschwerer Fehler, sagt der Westen noch heute.
Die Meos und Hmongs in Laos und Vietnam waren treue Verbündete der Franzosen. Im 2. Indochinakrieg stellten sie sich den Amerikanern zur Verfügung, als die Nordvietnamesen im Verbund mit der Pathet Laos die 1954 vereinbarte Demarkationslinie überschritten und die Ebene der Tonkrüge eroberten. Sie wurden von den Amerikanern mit den modernsten MK 16 Maschinengewehren ausgerüstet. Die privat getarnte, aber vom amerikanischen Geheimdienst finanzierte „Air American“ brachte ihnen Waffen, Nahrung und Sold. Dazu brauchten sie Landebahnen, eben Airstrips wie diese hier in Lambak.
Die Eimer der Bombensucher sind gefüllt mit Eisenteilen. 1000:1 ist das Verhältnis zwischen Eisen und Bombe. Viele Verschlüsse werden heute gefunden, Verschlüsse, die anfallen, wenn man Bomben abfertigt. Das hier muss der Platz gewesen sein, der als Umschlagplatz für Zielangriffe genutzt wurde.
Der nie erklärte Krieg zwischen den vom CIA kampffähig gemachten Meos und den nordvietnamesischen Interventionstruppen war an Grausamkeit nicht zu übertreffen. Nebenbei rekrutierte die neue rote Pathet Lao ihre Einheiten aus den patriotischen und frustrierten Anhängern dieses Landes.
Die Rasse der Kha war jahrhundertelang von den Laoten als Sklaven gehalten worden. Sie schlossen sich sofort den Kommissaren aus Hanoi an. Sie versprachen ihnen Gleichberechtigung und Rache. In den Bergen von Sam Neua und Vieng Xai hatte die Pathet Lao ihre Machtzentrale. Ein Labyrinth von Höhlen, gebaut als Kaderschulen, Reparaturwerkstätten und Wohnräumen. Nur so konnten sie sich dem Dauerbombardement der US-Air Force entziehen.
Ursprünglich war zwischen Kennedy und Chruschtschow ein neutrales Laos ausgehandelt. Mit dem Beginn des Vietnamkriegs zerplatzte alles wie eine Seifenblase. Die Kämpfe verschärften sich, die amerikanische Luftwaffe griff ab 1964 das Land direkt an. Der „Geheime Krieg“ in Laos begann. Erst am 6. März 1970 bestätigte Nixon erstmals Aktivitäten in Laos. Bis dahin hatte die CIA mit den „privaten“ Airlines und den amerikanischen B-52-Bombern 10.000 Einsätze gegen Laos geflogen. 3 Millionen Tonnen Bomben auf 3 Millionen Einwohner. Der Vormarsch der vietnamesisch-laotischen Verbände konnte mit CIA und Meos nicht aufgehalten werden. Die 60.000 Mann zählenden „Special Forces“, finanziert mit Opiumgeldern, wurde aufgerieben. Während CIA und Pathet Lao sich im Bergland bekriegten, versuchten die Amerikaner noch einmal mit einer ungeheuren Bombenlast den Ho Chi Minh Pfad aus der Luft lahm zu legen. Doch es gab nie einen Weg oder gar einen Pfad, es war ein ganzer Landstrich, der von den Lastwagen und Fahrrädern des Vietkongs nachts genutzt wurde, um Unmengen an Kriegsmaterial an den Stellungen der Amerikaner vorbei Richtung Süden zu bringen.
Eine Sage erzählt, dass vor langer Zeit große Tempeltrommeln von laotischen Fürsten für eine Kriegslist gegen die eingedrungenen Chinesen benutzt wurden. Der damalige Prinz stellte alle Trommeln unter zahllose Wasserfälle. Das laute Dröhnen der Trommeln setzte den Kaiser von China so in Schrecken, dass er das Land der Millionen Elefanten wieder räumte.
Der Preis, Eindringlinge wieder aus dem Land zu bekommen, ist in Laos hoch, zu hoch. Vor allem die Kinder werden ihn bezahlen.
UXO beinhaltet mehr als nur Bomben sprengen. UXO soll vor allem die Menschen schützen. Kinder wissen am häufigsten, wo die Bomben liegen. Und sie kennen den Dschungel. Die Eltern sind am besten zu erreichen, wenn die Absicht deutlich wird, dass ihre Kinder geschützt werden.
Also fahren wir zur Schule von Lambak. Aus der Ferne hören wir singende Kinder. Das Schulgebäude ist aus Holz, offen, Fenster gibt es keine. Es gibt Bambusgitter gegen Diebstahl. Einige der Mütter stehen an die Hauswand gelehnt und beobachten den Unterricht der Kinder. Der Lehrer hat sich in die letzte Reihe gesetzt und den heutigen Schultag den UXO-Mitarbeitern zur Verfügung gestellt.
Die Mitarbeiterinnen singen mit den Kindern das UXO-Lied: „Kinder müssen sich gut merken, dass überall UXO´s liegen. Sie sind sehr gefährlich und niemals darf man sie anfassen. Sie liegen im Boden, da wo wir leben. Was ihr nicht kennt, fasst nicht an. UXO´s machen das Leben kaputt, ohne Hoffnung. Deswegen bleibt weit weg.“
Ein Poster mit Bomben wird hochgehalten. Die Kinder zeigen, welche der Bomben sie schon einmal gesehen haben. Dann tauchen zwei Handpuppen hinter der Tafel auf. Eine laotische Mitarbeiterin spielt zwei spielende Kinder, wobei das eine Kind trotz heftiger Warnung doch ein UXO anfasst, das dann explodiert.
Große ängstlich gebannte Kinderaugen verfolgen die Geschichte. Und erst als die verletzte Handpuppe wieder auftaucht, kommt Entspannung in die Kindergesichter.
Mit dem weißen Jeep fahren wir zurück zur Räumfläche. Es wird Monate dauern, bis der amerikanische Landeplatz von allen Eisenresten gesäubert ist. Denn jedes Metallstück kann eine Bombe sein. In flacher Position, vorwärtsrobbend die Fläche zu räumen, ist sinnvoll. Bomben streuen ihre tödliche Fracht in einem flachen Winkel. Die Chance eine Explosion zu überleben ist liegend ungleich höher.
Gnadenlos sind die Minen, die keinen Metallanteil mehr haben und mit Plastiksprengstoff gefüllt sind. Diese Todbringer sind mit Minensuchgeräten nicht mehr zu finden. Sie können nur noch mit Viehherden zur Detonation gebracht werden. Deswegen haben die minenproduzierenden Unternehmen weltweit vereinbart, Minen wiederauffindbar zu produzieren. Seitdem werden sie mit mindestens 40g Metallspänen durchsetzt.
Ein Mitarbeiter findet im Boden eine Handgranate. Sie hat keinen Bügel mehr. Ob sie noch bezündert und damit scharf ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Nur Handgranaten mit Bügel und Splint sind transportabel. Man entscheidet sich für eine Sprengung vor Ort. Jede weitere Bewegung kann den Tod bedeuten. Es gibt Zeitzünderbomben, die in bewohnte Gebiete fallen und dort wie Blindgänger liegen bleiben. Sie haben eine 4,5 Volt Stromquelle. Verringert sich die Spannung auf unter 3,5 Volt, geht diese Bombe ohne jede Warnung hoch. Keiner weiß, wie lange eine Bombe unter welchen äußeren Bedingungen ruhen kann, ohne die tödliche Spannungsgrenze zu erreichen. 3 Wochen, 3 Jahre, 30 Jahre ?
Plötzlich kommen drei Jungen. Sie haben das Puppentheaterstück am Vormittag in der Schule gesehen. Es hat Spuren hinterlassen. Sie haben dem Lehrer erzählt, wo sie Bomben gesehen haben. Wir gehen zur der Fundstelle: „Eine Ananasbombe und eine Apfelsinenbombe“, sagt ein Mitarbeiter.
Kleine Bomben, die in großen Bombenkörpern abgeworfen und etwa 100 Meter über dem Boden gesprengt werden. Die bis zu 500 kleinen sogenannten Bombies schärfen sich in der Luft und decken eine große Fläche tödlich ab. Sie sehen wie Spielzeug aus und das ist ein großes Problem. Viel muss getan werden, um den Kindern deutlich zu machen, dass diese kleinen metallenen Kugeln kein Spielzeug sind.
Der Tag geht zu Ende. Wir fahren zurück nach Luang Prabang. Glutrot zieht die untergehende Sonne ihre Spur über den Mekong. Es wird ein Jahrhundert dauern, um die Spuren dieses „Geheimen Krieges“ zu beseitigen. Das wissen hier alle und das ist der Grund, sagen sie, warum sie vor allem mit den Kindern arbeiten, denn sie werden die Zukunft des Landes gestalten. „Ein paar Schulhefte wären gut, das würde den Kindern helfen und die UXO-Arbeit leichter machen“. Mit dem Gefühl, heute vielleicht ein paar Kindern das Leben gerettet zu haben, beenden alle hier den Arbeitstag, denn morgen um 5 Uhr beginnt der nächste Tag für UXO und für das Leben.