Kambodscha. Sihanoukville. Ohrenbetäubender Lärm begleitet jeden Motorbikefahrer, der den Shortcut an der Polizeikontrolle vorbei nutzt. Eine völlig zerfahrene Straße mit den wattstärksten Anlagen der Stadt. Jeder will der Lauteste sein. Wir befinden uns in der Karaokestraße. Hier liegen die Bars nebeneinander. Ihre Anlagen sind nur durch dünne Holzwände getrennt. Im ersten Augenblick erscheint dies abweisend, gnadenlos und gesundheitsgefährdend.
Doch dann, wenn man es wagt, einer Einladung zu folgen, beginnt die Neugierde. Was geht hier ab? Zuerst einmal die Musik. Kleine Filme aus den Vorabendserien des kombadschanischen Einheits-Fernsehens werden mit Musik unterlegt und der Khmer-Text rollt zeitnah im unteren TV-Fenster ab. Die Anlage ist so eingestellt, dass jede Stimme gleich klingt und wenn ein Interpret ganz schlimm singt, wird der Playback-Musikanteil höher gedreht und die Stimme verschwindet fast gänzlich. Hier kann sich niemand blamieren und darum geht es.
Karaoke ist die Unterhaltung der Kambodschaner. Hier treffen sich junge Erwachsene zum ersten Kennenlernen, hier führen alte Erwachsene ihre Freunde hin und es wird immer lustig mit sehr viel Alkohol.
Ach ja, der Alkohol: Der Bierkrug heißt ‘Jug’. Ungefähr 2,5 l Bier gibt es für umgerechnet 2 €. Hier ist Kampftrinken angesagt, gnadenlos. Karaokedamen kommen zu den Tischen, unaufgefordert und schütten permanent das Glas randvoll.
Randvoll bedeutet bis zum Überlaufen und permanent meint wirklich nach jedem Trinken. Die Schlagzahl eines Jugs mit vier Personen liegt bei zehn Minuten pro Jug. Nach 90 Minuten liegt der Erste unterm Tisch. Denn nicht genug der Schlagzahl, es werden auch noch Spiele gespielt. Ein bestimmtes Wort fordert zum Ex-Trinken auf, ein anderes Wort zum Abtrinken aller Getränke auf dem Tisch.
Okay, das kennen wir auch von Familienfesten in Deutschland, aber hier ist das Kultur. Denn neben der Hochzeit und der Beerdigung gibt nur die Karaoke jederzeit den Anlass, sich gepflegt unter den Tisch zu trinken.
Ja, und was hat das mit der Musik zu tun? Eigentlich nichts. Sind die Khmerlieder noch unterlegt mit verliebten Paaren im Taumel ihrer Gefühle, sind die englischen Lieder unterlegt mit Bademode, knapp und sexy.
Es ist skurril, bei ‘wind of change’ halbnackte blonde Mädchen am Strand zu sehen. Ich befürchte, meine kambodschanischen Zuhörer glauben wirklich, der Text handelt von sex on the beach. Den passenden Cocktail gibt es übrigens auch hier.