Kambodscha. Sihanoukville. Hektische Rufe, entzückte Schreie und Schluchzen erreichen mein Apartment. Was ist los? Naht ein Unwetter, haben sie Wäsche von der Leine geklaut oder wurde der schwerhörige Nachbar mit der überdimensonierten Karaokeanlage gemeinschaftlich zur Strecke gebracht?
Ich stehe auf meinem Balkon und gehe neugierig runter. Alle gucken in den Himmel. Ach, hängt er schön, denke ich beim Betrachten des Vollmondes. Er hat einen grossen Hof. Das deutet auf einen Wetterumschwung hin, aber sonst sehe ich nichts.
Im Fernsehen läuft es, die Radiostationen melden es stündlich: Der König ist im Mond zu sehen. Ich war dabei, als sein goldener Sarg in den Palast gefahren wurde. Ich habe gesehen, wie ein ganzes Volk trauert und leidet. Ich habe auch gesehen, wie erfürchtig und ruhig diese große Menschenmenge sich dirigieren ließ von ein paar wenigen Uniformierten. Es waren wesentlich mehr Mönche dort als Polizisten und das war gut so. Dabei ist die Vergangenheit des Königs nicht schattenlos gewesen, nicht viel ist geklärt. Doch Erfurcht und Respekt vor dem geleisteten damals in den 60gern.
Ich gucke in den Mond und sehe nichts. Ich lasse mir erklären, was man sehen muss. Oh, denke ich noch, da ist die aktuelle Sonnenfinsternis in Neukaledonien ein Kinderspiel. Ich sehe immer noch nichts. Immer mehr Menschen kommen zusammen. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass mal wieder im ganzen Bezirk der Strom ausgefallen ist. Der Mond ist hell, okay, ein paar Berge und Täler, höchstens, aber das Gesicht des Königs?
Doch, ich stelle etwas fest. Erstens ist alles richtig was im Fernsehen kommt. Die Vergangenheit heißt Vergangenheit, weil sie vergangen ist und bleibt und wer lange in den Mond guckt, sieht auch was. Ich sah dann schliesslich eben doch noch etwas, nämlich meine ungeliebte Tante Hilde. Da habe ich wohl zu lange in den Mond geguckt. Die verhasste Patentante anstatt des verstorbenen Königs. Na bitte, es geht doch. Der König wäre mit wesentlich lieber gewesen. Aber das kann man sich ja nicht aussuchen, es sei denn, man glaubt dem Fernsehen.